Kerbespruch 1972

 

Wenn der Oktober hat begonnen
die Früchte den Feldern sind entnommen
wenn die Arbeit ist getan
dann fängt bei uns die Kerbe an.

Der festliche Rahmen ist gesteckt
der Kerbebaum sich in die Lüfte reckt
geschmückt mit vielem bunten Papier
eine wahre Pracht und Zier.
Und heute, wie Jahr für Jahr
legen wir Euch wieder dar
was alles so bei uns passiert
und was wir dann aufnotiert. – V i v a t!

 

Einst so frei wie der Vogel in der Luft
heut zu fünft, eingepfercht gleich einer Gruft
niemand hat gefragt, es wurde nur angenommen
so war es da und ist über uns gekommen.

 

Jetzt haben wir’s und keiner weiß so recht
war es nun gut oder war es schlecht.

Die Antwort wird sich zeigen dann,

wenn man auch nichts mehr ändern kann.

 

Hat man Anliegen oder Probleme
gibt’s heute ein Rezept und das heißt man nehme
sich, einen Tag Urlaub dann,

damit man was erfragen kann.

Früher konnte man das nach Dienstschluss tun,

heute muss einen Tag die Arbeit ruh’n.

Und so wird es in vielem kommen
ach hätten wir die Sache nur nicht angekommen.

 

Zu spät begleitest deinen Freund nicht mehr
es ist der Lauf der Zeit, Floß ohne Wiederkehr.

Da hilft kein Jammern und kein Klagen
jetzt kann man nur nach Ja und Amen sagen. – V i v a t!

 

Vor gar nicht so langer Zeit

machte sich hier eine Sportart breit,

die manches Herz höher schlagen ließ
sogar die ältere Generation mit sich riss.

 

Crash-Car-Driving nennt sich dieser Sport
Karambolagerennen heißt es hier im Ort.

Selbst in unserem Dörfchen sei es noch so klein
zog dieser Rennsport sehr schnell ein.

 

Zwar besitzen wir keine Bahn
man aber auch anderswo starten kann.

Kaum war das erste Rennen ausgeschrieben
der Bedarf an Schrottautos sofort gestiegen.


 

Hätte man nun solch einen Karren sich ergattert
der zwar schlecht im Blech, aber dennoch knattert
war der erste Schritt schon getan
und damit fing die Arbeit an.

 

Die Arbeitsstätte, Treffpunkt und Rennbüro
war Shell-Station Fa. Schneider & Co.
Und was dort geschweißt, geschraubt, gedrückt
hat später jedes Rennfahrerherz entzückt.

 

Dann standen sie da, die schwarzen Ungeheuer
transportbereit zum großen Abenteuer.

Vielleicht zu ihrer letzten Stunde
oder zu einer kleinen Ehrenrunde.

 

Und dann im Motodrom von Espenschied
man die kleinen Rennfahrer sieht
die wie die alten großen Asse

ein Rennen fuhren, einfach klasse. – V i v a t!

 

Hatte doch kürzlich um Mitternacht
einer ein wildes Matratzenfeuer entfacht.

Die Rauchwolken, die großen, dunklen
hingen übern Dorf, man sah kein Stern mehr funkeln.

 

Das Brennen wäre auch unbemerkt gelungen,

hätte es nicht so penetrant nach Mief gestunken.

Was einigen dann schließlich auch missfallen,

und man sah sie zum Brandherd wallen.

 

Unter den wallenden befanden sich
auch einige recht jugendlich
und als man so am Brandherd angelangt
hat’s vielen doch die Sprache verbannt.

 

In ihrem Hof da stand doch sie
freut sich über ihr Feuer wie noch nie
und als sie die staunenden Leute sah
rief sie: „Elfriede, Elfriede, die Bärstadter Rocker sind da.“ – V i v a t

 

Freunde, auf zum Tanz und Wein

kauft euch ein kurzes Stück Glück noch ein.
Wer weiß ob im nächsten Jahr
die Kerbegesellschaft ist wieder da.

 

Denn selbst in diesen kleinen Dingen
will manches nicht mehr gelingen.
Auch hier bahnt sich langsam an,

was man fast nicht verstehen kann.

 

Vielen ist die Arbeit für drei Tage schon zuviel,

drum setzt euch heute zum Ziel,

lasst uns noch mal lustig sein
denn dem Glück läuft man nicht hinterdrein. – V i v a t!